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Rede von Bürgermeister Dr. Christoph Landscheidt anlässlich der Einbringung des Haushaltes 2011/2012

22.02.2011

Meine sehr geehrten Damen und Herren,

ich weiß nicht, ob ich schon mal an dieser Stelle aus griechischen Sagen zitiert habe.

Sisyphos lässt grüßen

Lassen Sie es mich heute zur Einstimmung auf unsere Haushaltslage einmal tun.

"Und weiter sah ich den Sisyphos in gewaltigen Schmerzen:
wie er mit beiden Armen einen Felsblock, einen ungeheuren, fortschaffen wollte.

Ja, und mit Händen und Füßen stemmend, stieß er den Block hinauf auf einen Hügel.

Doch wenn er ihn über die Kuppe werfen wollte, so drehte ihn das Übergewicht zurück: von neuem rollte dann der Block, der schamlose, ins Feld hinunter.

Er aber stieß ihn immer wieder zurück, sich anspannend, und es rann der Schweiß ihm von den Gliedern, und der Staub erhob sich über sein Haupt hinaus."

Homer: Odyssee 11. Gesang, 593-600.

So viel von Homer und vom armen Sisyphos.

Meine Damen und Herren,

ich denke, der Kämmerer hat nichts dagegen, wenn Sie ihn in Zukunft liebevoll „Sisyphos" nennen.
Genau genommen, kann jeder von Ihnen, jeder Stadtverordnete und jede Stadtverordnete sich jedes Jahr von neuem in der Rolle des Sisyphos wiederfinden, wenn es um den Versuch geht, unsere Haushaltssituation zu bewältigen.

Die Städte und Gemeinden befinden sich seit vielen Jahren in einem unauflöslichen Dilemma. So auch die Stadt Kamp-Lintfort.

Vermögen in Höhe von 350 Mio. Euro

Wir sind vermögend und doch arm.

Ausweislich der vorläufigen Eröffnungsbilanz zum 1.1.2009 verfügt die Stadt Kamp-Lintfort über ein Gesamtvermögen von 350 Mio. €.

Dennoch sind wir arm. Denn ein großer Teil unseres Vermögens ist nicht marktfähig, z.B. unsere Straßen, die Grünanlagen, Schulen, Kindergärten usw., dafür aber aufwandsintensiv (Abschreibungen, Betriebs- und Unterhaltungskosten pp.).

Wir konsolidieren seit Jahren unsere Finanzen und schreiben dennoch rote Zahlen. Und wir können diesem Dilemma nicht entrinnen. Kurz gesagt: Wir befinden uns in der Vergeblichkeitsfalle. Selbst wenn wir an die Substanz unserer Infrastruktur gingen und die Ausgaben für Sport, Kultur und Soziales weiter erheblich reduzieren würden, könnten wir die Mehrbelastungen - etwa durch die drohende Erhöhung der Kreisumlage auch nicht annähernd auffangen.

Oder um es mit Homer zu sagen: "Der Felsblock, der schamlose, würde uns immer wieder vor die Füsse fallen!"

Ebendies ist damit gemeint, wenn wir von einem „Strukturellen Defizit" sprechen.

Strukturelles Defizit von 7 Mio. Euro

Unser Haushalt ist seit Jahren strukturell defizitär. So beträgt das jährliche Minus im Durchschnitt der Jahre 2011 bis 2015 fast 7 Mio. €. Und das trotz aktuell steigender Einnahmen.

In ganz NRW gibt es nur noch acht Städte mit ausgeglichenem Haushalt, was niemanden trösten kann.

Hier standen nun in der ursprünglichen Rede bis gestern folgende Sätze, die nach wie vor richtig sind:

  • Der Schlüssel zur Lösung der kommunalen Finanzprobleme liegt in Berlin.
  • Soziallasten steigen dramatisch schneller als die Einnahmen - in den letzten 10 Jahren um 60 %.
  • Gesamtgesellschaftliche Aufgabe des Bundes zur sozialen Grundsicherung wird seit Jahren bei den Kommunen abgeladen!

Danach folgten deutliche Worte der Kritik, die aus der Sicht vor zwei Tagen auch noch richtig war. Nach der absehbaren Einigung im SGB II-Vermittlungsverfahren von gestern, dürfen wir feststellen:

Berlin hat den Knall offenbar gehört.

Die beabsichtigte Regelung sieht Folgendes vor:

  • Der Regelsatz steigt zum 1. Januar 2011 um 5 Euro, am 1. Januar 2012 um weitere 3 Euro unabhängig von den notwendigen Anpassungen auf Grund der Preis- und Lohnentwicklung.
  • Der Bund stellt im Rahmen des Bildungs- und Teilhabepakets für 2011, 2012 und 2013 zusätzlich 400 Mio. € pro Jahr für Schulsozialarbeit und Mittagessen in Horten zur Verfügung.
  • Das Bildungs- und Teilhabepaket wird über eine zusätzliche Beteiligung des Bundes an den Kosten der Unterkunft in Höhe von 1,2 Mrd. € auf der Basis der Ist-Kosten des Vorjahres abgerechnet.
  • Der Bund übernimmt zur Entlastung der Kommunen schrittweise bis 2014 die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsunfähigkeit (2012: 45%; 2013: 75%; ab 2014: 100%), und zwar ohne sachfremde Verknüpfungen.
  • Der Mindestlohn für die Zeit- und Leiharbeit wird nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz durch Festsetzung des jeweiligen tariflichen Mindestlohns als absolute Lohnuntergrenze geregelt.

Wie sich diese Regelungen konkret auf den Kreishaushalt und damit auch auf unsere Haushaltslage auswirken wird, kann ich Ihnen im Moment noch nicht sagen.

Darüber werden wir sicherlich im Verlaufe der jetzt anstehenden Beratungen mehr Klarheit bekommen.

Haushalt 2011 und 2012

Kommen wir konkret zum Haushalt 2010/2011

Warum ein Doppelhaushalt? -

Ich würde die Frage für Kamp-Lintfort und andere Städte und Gemeinden genauso beantworten wie für den Kreis.

Es gibt keinen zwingenden Grund für einen Doppelhaushalt. Wohl entlastet es die Verwaltung ebenso wie die politischen Gremien, wenn die Vorbereitungsarbeiten insgesamt einem längeren Geltungszeitraum dienen. Dies gilt umso mehr, als Gestaltungsspielräume im positiven - etwa neue, bisher nicht bekannte Investitionen - oder im negativen - neue bisher nicht bedachte oder bekannte Konsolidierungsideen - innerhalb des Geltungszeitraumes kaum zu erwarten sind. Gravierende Änderungen lassen sich flexibel und mit vertretbarem Aufwand im Wege des Nachtrages einarbeiten, ohne dass zum Jahreswechsel das gesamte Verfahren neu aufgelegt werden muss.

Droht Nothaushaltsrecht? - Vermeidung hängt von bestimmten Voraussetzungen ab

Eine der wichtigsten Fragen, die uns schon im letzten Jahr umgetrieben hat, ist die Frage nach der drohenden Nothaushaltsführung.

Bitte sehen Sie es mir nach, wenn ich auf diese Frage sybillinisch antworte:

Es kommt darauf an.

Genau genommen hängt die Vermeidung des Nothaushaltsrechts davon ab, dass vier kumulativ zu erfüllende Voraussetzungen eintreffen werden.

  1. dass unsere Annahme zutrifft, dass die Kreisumlage nur um die Hälfte der zur Zeit angekündigten Höhe steigt (also statt um 6,6 nur um 3,3 Prozentpunkte)
  2. dass es bei der vom Land vorgesehenen Korrektur der Schlüsselzuweisungen entsprechend der 1. Modellrechnung bleibt, die Kamp-Lintfort eine Verbesserung um 1, 7 Mio. Euro gewährt und schließlich
  3. dass der Rat den Konsolidierungsempfehlungen der Verwaltung folgt oder alternative Vorschläge macht, um die Inanspruchnahme der Rücklagen zu limitieren.
  4. dass uns darüber hinaus ein weiteres Konsolidierungsvolumen von ca. 450.000 Euro gelingt.

Meine Damen und Herren,

lassen Sie mich direkt mit den letzten beiden Voraussetzungen beginnen.

Limitierung der Rücklagenentnahme durch Einarbeitung eines verwaltungsseitigen Konsolidierungsplanes in der Größenordnung von knapp 2,5 (1,8 Mio. Euro in 2011 und 650.000 € in 2012)

Die Haushalte 2011 und 2012 sind unausgeglichen. Im Ergebnisplan übersteigen die Aufwendungen die Erträge in 2011 um 9,6 Mio. € und in 2012 um 8,9 Mio. €.

Die restliche Ausgleichsrücklage von 2,3 Mio. € deckt gerade einmal 1/4 des Fehlbedarfs in 2011. Der überwiegende Teil von 7,3 Mio. € geht zu Lasten der allgemeinen Rücklage, die auch in allen Folgejahren beansprucht werden muss.

Wenn an zwei aufeinanderfolgenden Jahren mehr als 5% der allgemeinen Deckungsmittel verbraucht werden, so die gesetzlichen Vorgaben, muss ein genehmigungspflichtiges Haushaltssicherungskonzept aufgestellt werden. Genehmigungsfähig wäre es nur, wenn innerhalb des Finanzplanungszeitraums oder -bei Gesetzesänderung- zu einem späteren von der Finanzaufsicht zu bestimmenden Jahr der vollständige Haushaltsausgleich erreicht wird.

Die Verwaltung hat bei der Aufstellung des Haushaltsentwurfs das Ziel verfolgt, unter den genannten 5%-Hürden zu bleiben. Insgesamt handelt es sich um ein Konsolidierungsvolumen von 2,5 Mio. Euro allein für 2011/2012. Es wurden also in einer Vielzahl von Fällen bereits Konsolidierungsvorschläge in den Haushalt eingearbeitet.

Darauf will ich hier nicht im Einzelnen eingehen. Im Wesentlichen geht es um Maßnahmen der Bauunterhaltung und sonstige Sanierungen, deren zeitliche Verschiebung vertretbar erschien, die uns aber selbstverständlich in späteren Jahren wieder einholen. Sie erhalten darüber eine Auflistung zur politischen Beratung und Entscheidung.

Ergebnis unserer Konsolidierungsempfehlungen ist, dass wir in den Jahren 2013, 2014 und 2015 weniger als 5 % Rücklagenmittel verzehren. In 2012 kommt es insbesondere aufgrund dringender Sanierungsmaßnahmen zu einer deutlichen Überschreitung der 5%-Hürde um 2,4 Mio. €.

Eine weitere Ausgabenreduzierung um 450.000 € in 2011 ist noch notwendig

Trotz dieser umfassenden verwaltungsseitigen Vorschläge müssen in 2011 noch Haushaltsverbesserungen von rd. 450.000 € erreicht werden, um unter 5% zu bleiben.

Wenn wir diese Verbesserungen schaffen, bliebe es bei einer einmaligen Überschreitung der 5%-Hürde in 2012 und Nothaushaltsrecht würde vermieden. Die Verwaltung wird für die anstehenden Haushaltsberatungen weitere Vorschläge zur Haushaltsverbesserung machen, appelliert aber auch an die Politik, ebenfalls den Rotstift anzusetzen.

Allerdings muss ich noch ein paar Sätze zu den ersten beiden, den wichtigsten und von uns nicht zu beeinflussenden Voraussetzungen sagen, Höhe der Kreisumlage und Schlüsselzuweisungen.

Kreisumlage mit 3,3 % veranschlagt

Wesentlich beigetragen haben zu den Haushaltsdefiziten nicht nur die nach wie vor unzulänglichen Erträge, sondern der stete Anstieg der pflichtigen Aufwendungen, hier insbesondere im sozialen Bereich. Daraus resultiert -wie bereits erwähnt- auch die immense Erhöhung der Kreisumlage.

Die im Kreishaushaltsentwurf vorgesehene Anhebung des Kreisumlagehebesatzes um 6,6 Prozentpunkte würde den Haushalt der Stadt Kamp-Lintfort um zusätzliche 2,7 Mio. €. belasten. Darin sind noch nicht berücksichtigt die geplanten Änderungen des Gemeindefinanzierungsgesetzes und die Neuregelung zur Verteilung der Wohngeldersparnis, die nach einer aktuellen Modellrechnung des Kreises den Umlagebetrag von Kamp-Lintfort auf 21,3 Mio. € steigen lassen, was eine Mehrbelastung von fast 3,8 Mio. € gegenüber 2010 bedeutet.

Diese Mehrbelastungen könnte der Haushalt unter keinen Umständen verkraften und sie lassen sich örtlich auch nicht konsolidieren. Erwartet wird vom Kreis, dass er seinen Fehlbedarf vollständig, zumindest überwiegend aus seiner Ausgleichsrücklage deckt, sich also so verhält wie seine Kommunen es müssen, und die Gemeinden nur in dem Umfang belastet, wie er es in 2010 getan hat. Wie wir hören, gibt es bereits positive Signale etwa aus der SPD-Kreistagsfraktion. Ich hoffe und gehe davon aus, dass sich die anderen Fraktionen dem nicht verschließen.

Uns ist klar, dass diese Rücklagenentnahme die Probleme nicht löst, sondern nur verschiebt und nur von kurzer Dauer ist. Aber es bleibt aufgrund der aktuellen Entwicklungen bei den Steuereinnahmen, der von Bund und Land derzeit diskutierten Maßnahmen zur Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung die berechtigte Erwartung, dass es schon bald sowohl für den Kreis als auch für die Gemeinden finanzielle Entlastungen geben könnte.

Bis dahin dürfte der Rücklagenverzehr des Kreises als vorübergehende Notmaßnahme und zur Vermeidung eines noch tieferen Falls seiner Kommunen in den finanziellen Abgrund gerechtfertigt und verantwortbar sein. Allerdings wäre es illusorisch zu glauben, die erhofften finanziellen Hilfen des Landes und des Bundes würden die Finanzprobleme restlos beseitigen. Vielmehr müssen wir dazu auch eigene Beiträge leisten und weiterhin Standards und Leistungen auf den Prüfstand stellen und abbauen.

Aus den genannten Gründen haben wir die Kreisumlage rein vorsorglich mit dem halben Erhöhungsbetrag von 3,3%-Punkten veranschlagt.

Schlüsselzuweisungen

Meine Damen und Herren,

zu diesem Tagesordnungspunkt haben wir heute gleich zwei Resolutionsanträge sowie eine Stellungnahme unseres Landtagsabgeordneten.

Ich will der hierzu zu erwartenden Diskussion nicht vorgreifen. Ich möchte dazu nur ein paar ganz einfache Fakten in Bezug auf unsere Stadt und auf unseren Haushalt nennen, die ich Sie bitte, zu berücksichtigen.

  1. Die jetzt beabsichtigte Änderung des GFG ist zwingend und hätte schon längst erfolgen müssen, da sie letztlich das Resultat der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs ist.
  2. Diese Rechtsprechung verlangt u.a. - vereinfacht gesprochen - einen „gerechteren" Finanzausgleich zwischen Kommunen mit hohen und weniger hohen Soziallasten. Von der bisherigen Regelung hat der ländliche Raum profitiert, größere Städte mit gestiegenen Soziallasten und Städte mit vergleichbar problematischen sozialen Strukturdaten - so wie Kamp-Lintfort - hatten in der Vergangenheit das Nachsehen.
  3. Dies beabsichtigt die neue Landesregierung nunmehr zu korrigieren. Nach der 1. Modellrechnung des Landes ist in 2011 für Kamp-Lintfort mit Schlüsselzuweisungen von 17.367.375 € zu rechnen, die auch in dieser Höhe im Haushalt veranschlagt wurden. Der Berechnung liegen die geplanten Änderungen der Grunddaten und der fiktiven Hebesätze zu Grunde. Käme es zu keiner Änderung der Grunddaten, insbesondere des in 2011 mit dem halben Gewichtungsfaktor angehobenen Soziallastenansatzes, bekäme Kamp-Lintfort 1,7 Mio. € weniger Schlüsselzuweisungen.

Ich finde es ehrlich gesagt gut und richtig, dass wir von der neuen Landesregierung jetzt einen Ausgleich für die Nachteile bekommen, die wir in der Vergangenheit hatten.

Meine Damen und Herren,

ich möchte jetzt die Frage beantworten, was bedeutet das konkret für den Haushalt 2011/2011 und letztlich für die darin enthaltenen Maßnahmen und Vorschläge.

Geplante und schon teilweise umgesetzte Projekte werden zu Ende geführt
  • Innenstadt. Der schon weit fortgeschrittene Umbau der Innenstadt wird planmäßig zu Ende geführt. Schon durch die bisherigen Maßnahmen, den Umbau des Prinzenplatzes, der oberen Moerser Straße, des Busbahnhofes im Bereich C&A hat unsere Innenstadt eine erhebliche Aktivitätssteigerung erfahren. Diese werden wir mit dem Endausbau am Verkehrspavillon fortsetzen in der begründeten Erwartung, dass das EK3 mit seinen Spartenangeboten, die es bisher in Kamp-Lintfort noch nicht gibt, wie etwa der Elektromarkt, erhebliche Frequenzsteigerungen bringt. Ich bin zuversichtlich, dass es uns gelingen wird, trotz des Verbleibs der unglücklichen Bestandsbauten, der sog. Flachbauten, hier zusätzliche höchst interessante Arrondierungen, etwa auf dem derzeitigen DRK-Grundstück, zu ermöglichen.
  • Hochschule. Eines der wichtigsten Projekte, nämlich der Bau der neuen Hochschule auf dem Areal des ABC-Geländes wird planmäßig stattfinden. Vergessen Sie alle anderslautenden Meldungen. Ich habe die schriftliche Erklärung des BLB, dass die Baumaßnahme planmäßig erfolgen wird, der erste Spatenstich wird in diesem Jahr, voraussichtlich im Sommer, stattfinden. Der sukzessive Umzug in die neu erstellten Gebäude wird zum Wintersemester 2013/2014 erfolgen und im Sommersemester 2014 vollständig abgeschlossen sein. Das ist bei einem solchen großen Projekt an der einen oder anderen Stelle Verzögerung geben kann, ist selbstverständlich, kann aber das Projekt nicht insgesamt infrage stellen. Außerdem werden wir städtischerseits sicherlich nicht alles Wünschbare sofort leisten können, was etwa zusätzliche Infrastrukturmaßnahmen angeht (Straßenbau/Ausbau, verkehrslenkende und -leitende Maßnahmen, Grünflächen etc.)
  • Masterplan Bergwerk West. Auch die schon weit fortgeschrittenen Arbeiten und Planungen unter dem Stichwort Masterplan Bergwerk West werden konsequent fortgeführt mit dem ausdrücklich erklärten und unstreitigen Ziel, die Folgenutzungen auf den Zechenarealen so schnell wie möglich nach Schließung des Betriebes zu ermöglichen.
    Da man bei derart komplexen Planungen mit vielen Beteiligten gelegentlich in Gefahr gerät, den roten Faden zu erkennen, will ich Ihnen an dieser Stelle noch einmal ganz klar sagen, was wir wollen.
    Kamp-Lintfort soll das interessanteste Logistikzentrum am Niederrhein werden in unmittelbarer Nähe zum größten Binnenhafen Europas - nennen Sie es von mir aus als Arbeitstitel „Logport Niederrhein". Interessant deshalb, weil Kamp-Lintfort nicht nur über ideale Verkehrsanbindungen auf der Straße verfügt, sondern auch über die in dieser Form sicherlich einzigartige Möglichkeit der bifunktionalen Nutzung einer vorhandenen Bahnlinie gleichzeitig zum Personen- wie zum Güterverkehr.
    Einzigartig auch deswegen, weil am Ende dieser Bahnlinie eine Hochschule mit höchst innovativen Fachbereichen entsteht, etwa dem Fachbereich Energie und Umwelt in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem Bergwerksgelände, das bis heute allenfalls im Ansatz erforschte, vielleicht unerschöpfliche Energiequellen birgt. Allerdings muss die Chance der anwendungsorientierten Forschung etwa auf dem Gebiet der Geothermie oder Kraftwerkstechnik auch jetzt genutzt werden, wenn nicht hier und jetzt, wann und wo sonst? - Deshalb sind wir mit allen Beteiligten in intensiven Gesprächen, mit der Hochschule ebenso wie mit der Eigentümerin RAG, mit Forschern und Energieunternehmen.
    Natürlich reduziert sich der Masterplan nicht auf diese Überlegungen. Selbstverständlich eignen sich historisch erhaltenswerte Gebäude auch für die gewerbliche Nutzung oder für Dienstleistungen ebenso wie für kulturelle Nutzer der unterschiedlichsten Art. Dies zu konkretisieren ist es sicherlich noch zu früh. Gerne habe ich den Vorschlag zu einer breiten Öffentlichkeitsbeteiligung gehört. Wir sind in der Tat gerade dabei, schon für die Sonderratssitzung am 14.06.2011 ein umfassendes Konzept einer solchen frühzeitigen und umfassenden Beteiligung unter dem Logo „Masterplan Bergwerk West 2.0" zu erarbeiten.
  • Bildung, Kitas, Schule, Sport Kultur. Darüber hinaus bekommt das Thema Bildung mit der Etablierung der Hochschule in unserer Stadt einen neuen, sicherlich noch viel größeren Stellenwert, als es schon bisher hatte. Mit unserer Schulinfrastruktur, in die in den letzten Jahren und Jahrzehnten einige Millionen geflossen sind, haben wir ausgezeichnete Voraussetzungen geschaffen. Das zahlt sich aus. Ohne dies wäre die etwa Hochschule in Kamp-Lintfort sicherlich nicht so schnell zum begehrten ZDI (Zukunft durch Innovation)-Standort geworden.
    Für größere Sanierungsmaßnahmen sind im Doppelhaushalt insgesamt 1.625.000 € vorgesehen. Davon entfallen auf den Schulbereich einschließlich Schulsportanlagen rund 1,2 Mio. € (76 %). Der Sanierungsschwerpunkt liegt in diesen Jahren im Schulzentrum Kamper Dreieck (Fenstererneuerung, Maßnahmen zur Verbesserung des Brandschutzes pp.).
    Jetzt gilt es weiter, z.B. die bereits begonnenen Projekte zur Sanierung bzw. zum Neubau von Sportanagen und Einrichtungen umzusetzen. Denn:
    Das wussten schon die alten Griechen und Römer. Zur Bildung gehört Sport.
    Deshalb werden wir die Maßnahmen im Sportentwicklungsplan sukzessive umsetzen, an erster Stelle die Sportanlage an der Franzstraße und den Neubau des Panorama Bades am Pappelsee.
    Insgesamt belaufen sich die rein investiven Maßnahmen für die Haushaltsjahre 2011 und 2012 auf über 8 Millionen Euro. (ohne das Bad) Wenn Sie sich die Liste genau anschauen, werden Sie feststellen, dass der größte Teil in Kindertagesstätten, Schulen und Sporteinrichtungen fließt, weil wir hierin wie in den vergangenen Jahren einen wichtigen Handlungsschwerpunkt sehen. Insofern verweise ich auf die Darstellung des Kämmerers.
    Schließlich haben wir auch mit dem Ausbau des Alten Rathaus aus Mitteln des Konjunkturpaketes u.a. einen weiteren Beitrag für unser städtisches Kulturangebot geleistet, das wir bis heute nicht nur erhalten, sondern punktuell mit Unterstützung Dritter sogar ausbauen konnten. Hinzukommen Maßnahmen zur Verbesserung des Wohnumfeldes .Jährlich 170.000 € können zur Erneuerung des Baumbestandes in der Altsiedlung zur Verfügung gestellt werden.

Meine Damen und Herren,

die Frage ist nun, wo müssen wir konkrete Einschränkungen und Einsparungen in Kauf nehmen.

Auf die bereits eingearbeiteten Konsolidierungsvorschläge der Verwaltung im investiven Bereich von ca. 2,5 Mio. € hatte ich schon hingewiesen.

Ferner werden haben wir uns den Personalbereich sehr intensiv angeschaut und - wie wir es seit Jahren/Jahrzehnten - kontinuierlich tun, nochmals auf den Prüfstand gestellt. Das Ergebnis sind drei weitere eingesparte Stellen, die Reduzierung von bezahlten Überstunden und die sich aus den Konsolidierungsrichtlinien ergebenden Verpflichtungen (Besetzungs- und Beförderungssperre) . Ziel ist die Kostenreduzierung von weiteren 200.000 € jährlich.

Sie wissen, meine Damen und Herren, dass diese kostenreduzierenden Maßnahmen angesichts der gravierenden Konsolidierungsbeiträge, die der Personaletat bereits in den letzten Jahren geleistet hat, eine Gradwanderung sind. Der massive Stellenabbau führte, soweit nicht Auslagerungen durch Fremdvergabe oder Leistungsreduzierungen damit verbunden waren, zu einer erheblichen Verdichtung der Arbeitsmenge, oder anders gesagt, zu einer spürbaren Mehrbelastung des Personals. Hier sind inzwischen Grenzen erreicht.

Ferner werden wir die Erstattungen an den ASK um 460.000 € reduzieren, wie Sie der Liste entnehmen können.

Steuererhöhungen sieht der Haushaltsentwurf derzeit nicht vor.

Die Einnahme- und Ausgabesituation stellt sich aktuell wie folgt dar:
  • Grundsteuer A und B. Die Grundsteuern A und B stellen eine stabile Größe in der Haushaltsplanung dar. Geringfügige Korrekturen bei der Grundsteuer A führten zu dem Ansatz von 4.365.000 €.
  • Gewerbesteuer. Die Gewerbesteuereinnahmen steigen. Wir haben bei der Ansatzermittlung für 2011 und 2012 unterstellt, dass der sich in 2010 abzeichnende erfreuliche Anstieg der Gewerbesteuer anhält und die vom Land in den Orientierungsdaten genannten Zuwächse von rund 7,5 % auch in Kamp-Lintfort erreicht werden. Gegenüber dem Ansatz 2010 bedeutet das ein Mehr an Gewerbesteuer von knapp 2 Mio. €. Mit 13.230.380 € Einnahmeerwartung für 2011 kommen wir nahe an das Ergebnis des Jahres 2005 heran, bleiben aber noch 1,2 Mio. € von den Gewerbesteuereinnahmen des Jahres 2006 entfernt.
    Eine verlässliche Einnahmequelle ist die Gewerbesteuer in ihrer heutigen Struktur nach wie vor nicht. Das von der Bundesvereinigung der kommunalen Spitzenverbände und vom Städte- und Gemeindebund NRW unterstützte Kommunalmodell, also die Einbeziehung der freien Berufe in die Gewerbesteuer und somit eine Verbreiterung der Bemessungsgrundlage, ist ein interessanter Ansatz zur Verstetigung der Gewerbesteuer.
  • Einkommen- und Umsatzsteueranteile. Über 10,7 Mio. € Gemeindeanteil an der Einkommensteuer und Umsatzsteuer standen uns im Jahr 2000 zur Verfügung. Nach über 10 Jahren nähern wir uns mit geschätzten 10,2 Mio. € diesem Betrag.
  • Entwicklung der Schulden (ohne Kassenkredite). Nach den Richtlinien für HSK-Kommunen ist zwischen rentierlichen und unrentierlichen Schulden zu unterscheiden. Kredite, die zur Investitionsfinanzierung von kostenrechnenden Einrichtungen (Straßenreinigung, Abfallbeseitigung, Abwasserbeseitigung, Märkte, Friedhöfe) aufgenommen werden, unterliegen keiner Deckelung, weil sie sich über die Gebühren finanzieren.
    Dagegen dürfen HSK-Kommunen sonstige (unrentierliche) Kredite nur bis zur Höhe der jährlichen Tilgungsraten aufnehmen oder anders ausgedrückt: Es darf zu keiner Nettoneuverschuldung kommen.
    Kamp-Lintfort geht noch einen Schritt weiter mit dem Ziel, die unrentierlichen Schulden abzubauen. Dem trägt der Doppelhaushalt 2011/2012 Rechnung.
    Im Saldo der beiden Jahren verringern sich die nicht rentierlichen Schulden um über 0,6 Mio. €. Die in den Jahren 2013 bis 2015 vorgesehenen Investitionen überschreiten den Tilgungsbetrag nicht und verursachen somit keinen Schuldenanstieg.
  • Entwicklung der Schulden (ohne Kassenkredite). Das Ziel eines kontinuierlichen Abbaus von Schulden kann auch im Doppelhaushalt 2011 und 2012 erreicht werden. In den Jahren 2011 bis 2015 verringert sich der Schuldenberg um rund 656.000,- € auf 32.642.358 €.
    Zwar kommt es in den Jahren 2011 und 2013 zu Neuverschuldungen von rund 375.000 € und 1,272 Mio. €. Diesen steht ein Schuldenabbau in den Jahren 2012 mit 1,004 Mio., in 2014 mit 388.000 € und in 2015 mit 882.000 € gegenüber.
    Die Neuverschuldungen in 2011 und 2013 sind u.a. bedingt durch größere Baumaßnahmen wie die Errichtung der zentralen Sportanlage an der Franzstraße, die Hochbaumaßnahmen im Rahmen der U3-Betreuung und die Erweiterung von Feuerwehrgerätehäusern.
    Ließe man die Kredite für rentierliche Maßnahmen der sog. kostenrechnenden Einrichtungen (Abfallbeseitigung, Abwasserbeseitigung, Straßenreinigung, Märkte, Friedhof) unberücksichtigt, betrüge die Entschuldung im Finanzplanungszeitraum sogar rund 6,7 Mio. €.

 

(Presseinformation der Stadt Kamp-Lintfort vom 22.02.2011, www.kamp-lintfort.de)

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